Paul Bartsch & Band – „Freund sein“,
BC Records, 2016
01.11.2016
O1 Ermutigung III
02 Vom Regen in die Traufe
03 Freund sein
04 Sisyphos
05 Fahrerflucht
06 Die Stunde der Vereinfacher
07 Doch nicht jeder
08 Inselleben
09 Schere im Kopf
10 Der Mensch ist im Grunde
11 Vielleicht
12 Hochzeitslied
13 Ballade vom Drachen im Walde
14 In der Mitte des Flusses
Die
kleine
Geschichte
davor:
Im
Jahr
2014
gibt
es
unter
der
Regie
des
Gleimhaus
in
Halberstadt
einen
Literaturwettbewerb
für
Schüler.
Das
Thema
der
einzureichenden
Arbeiten:
Freund
sein.
In
Anlehnung
an
das,
wie
Johann
Wilhelm
Ludwig
Gleim
in
seiner
Zeit
es
verstand,
Freundschaftsbande
zu
knüpfen
und
diese
Bande
lebendig
zu
halten,
waren
die
Jugendlichen
aufgefordert,
die
Idee
vom
„befreundet
sein“
aus
ihrer
Sicht
in
die
eigene
Lebensumwelt
schriftlich
zu
übertragen.
Es
ist
auch
genau
die
Zeit,
in
der
ein
Neu-Halberstädter,
aus
Südbrandenburg
kommend,
gerade
im
Begriff
ist,
in
der
Domstadt
noch
einmal
heimisch
zu
werden
und
hier
vielleicht
auch
neue
Freunde
zu
finden.
Von
der
Ausstellung
bei
Gleim
erfährt
der
Neuankömmling
nur
nebenbei
und
auch
davon,
wie
Fäden
durch
einen
Raum
im
Gleimhaus
gezogen
sind,
um
die
Verbindungen
von
Gleim
zu
seinen
vielen
Freunden
bildhaft
werden
zu
lassen.
Auch
den
Laudator,
der
gebeten
wird,
die
geschriebenen
Arbeiten
zu
würdigen,
kennt
er
damals
(noch)
nicht.
Dieser
PAUL
BARTSCH,
der
in
Halberstadt
zur
Schule
ging,
spricht
diese
Laudatio
und
da
er
auch
Liedermacher
ist,
schreibt
er
eigens
dafür
ein
neues
Lied:
„Und
willst
Du
mein
Freund
sein“,
das
er
bei
diesem
Anlass
vorträgt.
Doch
wie
das
so
manchmal
ist
im
Leben,
der
Abend
und
die
Idee
vom
„befreundet
sein“
lassen
ihn
nicht
mehr
los.
Es
entstehen
neue
Lieder
im
gleichen
Kontext
mit
neuen
und
anderen
Ideen vom „Freund sein“ in einer Zeit zwei Jahrhunderte nach Gleim.
In
diesem
Jahr
nun,
zwei
Jahre
nach
der
Ausstellung,
hat
der
in
Halle
lebende
Liedermacher
PAUL
BARTSCH
mit
„Freund
sein“
diese
neue
CD
veröffentlicht
und
möchte,
dass
die
Lieder
sich
unter
das
Volk
(ein)mischen,
so
wie
die
Fäden
von
Gleim
sich
zu
dessen
Freunden
zogen,
„denn
Lieder
wollen
gesungen
werden“,
heißt
es
auch
im
Covertext.
Aber
nicht
nur,
möchte
ich
ergänzen!
Lieder
wollen
auch
bewegen,
alte
wie
neue,
und
sie
wollen
verstanden
sein.
Die
Lieder
wollen
erfreuen
und
trösten,
wollen
etwas
erzählen
und
auf
diese
Weise
vielleicht
auch
Erfahrungen
weitergeben,
gar
im
Idealfall
zum Denken und Handeln anregen. Die vom „Freund sein“, so mein Fazit, können das sicher auch.
Ein
paar
gezupfte
Saiten-Töne,
eine
Flöte
und
die
Frage,
„Wie
ist
es
möglich,
Mensch
zu
bleiben?“,
so
beginnt
„Ermutigung
III“.
In
Anlehnung
an
Renft’s
„Ermutigung“
(1974)
versucht
die
fast
beschwingt
daher
kommende
Melodie,
einen
Bogen
über
vier
Dekaden
zu
schlagen.
Mit
anderen
Worten
treffen
wir
heute
auf
die
gleiche
Situation
wie
damals:
„Manchmal
fällt
auf
uns
ein
Frost
und
macht
uns
hart“,
klang
es
damals.
Ebenso
entspannt
und
leichtfüßig,
mit
den
Klängen
einer
Violine,
schleicht
sich
„Vom
Regen
in
die
Traufe“
in
unsere
Ohren.
Im
Text
die
Botschaft
von
Menschlichkeit
„weil
das
Schweigen
Bände
spricht“
und
das
Ganze
in
Moll
gehalten.
Und
auch
hier
eine
dezente
Brücke
zu
einer
Botschaft,
dass
„der
Mensch
den
Menschen
ehre“,
die
ja
bekanntlich
auch
mit
einem
Moll-Akkord
endet.
Das
ist
ein
raffinierter
Einstieg
für
Hörer,
die
sich
auskennen.
Für
alle,
die
damit
nichts
anfangen
können,
die
jüngeren
Hörer
vielleicht,
denen
gibt
er
als
Ratschlag
eine
„geballte
Faust
und
offene
Hand“
mit
auf
den
Weg.
Was
für
ein
Bild,
nach
jenem
mit
der
Rose
und
den
Dornen,
und
was
für eine Beschreibung der Wirren dieser Tage! Spätestens jetzt sollte der Hörer neugierig geworden sein, denn …
…
mit
„Freund
sein“
kommt
eine
beswingte
Hymne
mit
leicht
irischen
Untertönen
„aus
den
„Rillen“.
Im
Refrain
angenehm
zweistimmig
plus
einem
dezenten,
aber
sehr
schönen
Solo
einer
Slide
Gitarre.
Der
Titelsong
schiebt
sich
irgendwo
zwischen
Gundermann
und
Haase
ein,
ohne
dass
dies
vordergründig
beabsichtigt
erscheint
oder
aufgesetzt
wirkt.
Es
ist
ein
Gefühl,
das
vermittelt
wird.
Vom
Leben
erzählt
uns
der
Sänger
auch
mit
„Sisyphos“,
einer
feinen
Folk-Blues-Ballade,
deren
Wirkung
mit
klagender
Mundharmonika
wirkungsvoll
verfeinert
wird.
Auch
diesmal
taucht
das
Thema
vom
befreundet
sein,
in
einem
anderen
Zusammenhang,
wieder
auf:
„Jeden
Morgen
überkommt
mich
die
Lust,
weil
ich
ohne
Dich
nicht
leben
kann“.
Und
wieder
empfinde
ich
dieses
besondere
Mitsing-Gefühl,
das
tief
unter
die
Haut
dringt
und
am
besten
unter
Freunden
und
gemeinsam gesungen oder gehört werden möchte.
Und
noch
ein
Blues,
ein
Boogie
von
der
„Fahrerflucht“,
eine
schonungslose
Gesellschaftsbeschreibung,
wenn
man
genau
hinzuhören
versteht.
Ein
rauchiges
Saxophon
lässt
sogar
einen
von
Hauch
dezenter
heißer
Lässigkeit
einfließen,
den
MICHAREL
LEHRMANN
mit
der
Gitarre
verfeinert.
Dies
ist
ein
Lied
von
den
falschen
Freunden,
so
könnte
man
„Die
Stunde
der
Vereinfacher“
vielleicht
auch
begreifen.
Die
Spannung
bezieht
der
Song
aus
einem
marschierenden
Rhythmus,
über
dem
sich
eine
Zigeunerfiedel
leichtfüßig
mit
ihrem
Spiel
hinweg
setzt
und
im
Klang
letztlich
allein
und
verspielt
entschwindet. Ein Klang- und Gedankenbild, über das sich trefflich philosophieren lässt.
Müsste
ich
mich
für
einen
Favoriten
entscheiden,
dann
wäre
dies
„Doch
nicht
jeder“,
weil
das
Lied
mir
mit
jedem
Ton,
mit
jedem
Wort
aus
dem
Herzen
spricht
und
mich
auch
wieder
daran
erinnert,
welche
emotionalen
Parallelen
man
zu
anderen
Künstlern
entdecken
kann.
Einfach
nur
wunderschön
und
mit
einem
fluffigen
Piano-Solo
verziert.
Die
größte
Wirkung
aber
erzielt
es
mit
einem
tollen
Schluss:
„Ich
steig’
hier
aus“
–
Punkt.
Das
ist
sehr
rational
gemacht,
setzt
aber
ganz
tiefe
Emotionen und Gedanken frei. Einfach großartig.
Danach
kann
der
Hörer
das
„Inselleben“
mit
den
Klangverzierungen
einer
Violine
genießen
und
schöne
Klangbilder
erleben,
die
ihm
die
„Schere
im
Kopf“
vermittelt,
in
der
auch
Parallelen
an
einen
singenden
Baggerfahrer
wach
werden,
der
ebensolche
Bilder,
wie
die
von
den
„Seifenblasen,
die
man
mit
bloßen
Händen
fasst“,
wenn
man
es
mal
probiert.
Mit
perlend
leichtem
Pianospiel,
einer
verspielt
gezupften
Gitarre
und
einfühlsamen
Violinenspiel
wird
„Der
Mensch
ist
im
Grunde“
eindrucksvoll
und
mit
einem
optimistischen
Unterton
„gemalt“.
Und
dann
noch
so
ein
Ohrwurm,
der
mit
einprägsamer
Melodie
und
einem
geilen
Saxophon
schnell
den
Weg
in
die
Gehörgänge
findet.
Es
ist
„Vielleicht“,
das
die
Tradition
der
Großen
des
Metiers
(siehe
oben)
weiter
spinnt.
Kurz,
knackig
und
große
Klasse.
Noch
einer
meiner
Favoriten.
Sehr
einfühlsam
singt
BARTSCH
sein
„Hochzeitslied“,
von
den
Wünschen
und
Sehnsüchten
der
Menschen,
„denn
es
kann
euch
das
nur
quälen,
was
ihr
nicht
beim
Namen
nennt“.
Das
ist
einfach
nur
wunderschön
und
einfühlsam
mit
Violine
untermalt, irgendwie auch einem Kinderlied gleich.
Wenn
man
so
etwas
wie
einen
Höhepunkt
sucht,
dann
sollte
man
vielleicht
„Ballade
vom
Drachen
im
Wald“
auswählen,
denn
darin
sind
die
Lebensgeschichten
einer
ganzen
Generation
komprimiert,
die
so
unterschiedlich
und
doch
irgendwie
gleich
verlaufen
sind.
Düstere
Orgelklänge
untermalen
eine
Story,
die
sich
letztlich
als
lächerlich
erweist,
weil
man
die
Angst
nur
mit
Neugier
auf
die
Wahrheit
vertreiben
kann.
„Also
auf
in
den
Wald!“,
(man
hat
7:00
Minuten
Zeit
dafür).
Die
CD
verabschiedet
sich
(offiziell)
mit
einem
mitreißenden
Gesang,
in
den
man
bei
„In
der
Mitte
des
Flusses“
einsteigen
kann,
fließend leicht und verführerisch zugleich, auf den leichten Schwingen einer Violine dahin gleitend ….
…
und
dann
gibt
es
da
noch
mit
„Mensch
mir
gegenüber“
ein
verstecktes
Lied,
das
den
Bogen
zurück
zum
ersten
Soloprogramm
des
Liedermachers
schlägt
und
auf
diese
Weise
das
Thema
vom
„Freund
sein“
über
die
Zeiten
spannt,
weil
es immer und jeden Tag wichtig ist.
Stilvoll
verpackt,
in
die
Andeutung
des
Spiels
vom
„Mensch
ärgere
dich
nicht“,
kommen
diese
15
Lieder
vom
Menschen,
seinen
Freuden,
Sehnsüchten,
Ängsten
und
der
Liebe
ganz
und
gar
zeitlos
daher.
Sie
ergreifen
den
Zuhörer,
zwingen
zum
Hinhören
und
sie
laden
ein,
sich
Gedanken
zu
machen.
In
Zeiten
wie
diesen,
ist
das
auch
mehr
als
notwenig
und
wichtig,
weil
wir
so,
wie
seit
Monaten,
nicht
einfach
weitermachen
dürfen.
Wir
sollten
im
21.
Jahrhundert
endlich
erkennen,
dass
wir
dieses
unser
Leben
nur
gemeinsam
meistern
werden,
im
Miteinander.
„Jeder
Mensch
kann
jeden
lieben“
sang
einst
ein
anderer
der
Liedermacherzunft,
in
anderen
Zeiten.
Er
tat
dies
zwar
„mit
der
Angst
vor
dem
Wald“
in
seinem
Hinterkopf,
doch
„Freund
sein“
und
seine
Mitmenschen
achten,
also
menschlich
miteinander
umgehen,
ist
nicht
an
bestimmte
Zeiten
gebunden
und
endet
auch
nicht
an
Ländergrenzen.
Sich
dem
dumpfen
Hass
entgegen
zu
stellen,
ebenso
wenig.
Vielleicht
ist
dieser
PAUL
BARTSCH
ein
singender
Träumer,
so
wie
Lennon
schon
sang
„you
may
say
I’m
a
dreamer,
but
I’m
not
the
only
one“.
Doch
wer
niemals
träumt,
wird
auch
niemals
selbst
erfahren,
wohin
die
Reise
gehen
könnte
und
sein
Ziel
wird
er
auch
nie
zu
sehen
bekommen.
Dafür
werden
es
die
Ziele
anderer
sein
und
das
ist,
schaut
Euch
einfach
mal
um,
meist
nicht
im
Interesse
der
Mehrheit.
Deshalb
sind
die
eigenen
Träume
vom
Mensch
und
„Freund
sein“,
wie
eben
diese
15
Lieder
zeigen, so ungemein wichtig. Schön, dass es sie gibt!